(WS – Jan. 2024) Schülerinnen und Schüler des zehnten Jahrgangs der Oberschule Dörpen stellten im Dorfgemeinschaftshaus Hasselbrock eine Projektarbeit zum Lager 4 in Walchum (im heutigen Hasselbrock) vor.
Hier die Präsentation:
PRESSEMITTEILUNG:
KLASSE 10 DER OBERSCHULE DÖRPEN PRÄSENTIERT PROJEKTARBEIT ZUM EMSLANDLAGER IN WALCHUM.
Machtantritt und Reichstagsbrand
Am 30.01.33 übernahm die NSDAP die Macht. Die Weimarer Republik wurde von diesem Zeitpunkt an immer mehr nach ihren Zielen und Idealen umgeformt. Der Reichtstagsbrand vom 27.02.1933 führte zur Verordnung „zum Schutz von Volk und Staat“, die zur „Abwehr kommunistischer staatsgefährdender Gewaltakte“ dienen sollte. Ein Kommunist soll für den Reichstagsbrand verantwortlich sein. Dieser Umstand ist bis heute nicht gesichert geklärt. Jedoch wurde der NS-Terror damit ermöglicht. Die Grundrechte aller Bürger wurden außer Kraft gesetzt. Pressefreiheit oder Meinungsfreiheit gab es nicht mehr. Auch konnte unter jeglichen Vorwänden die Wohnung oder das Haus durchsucht werden. Menschen konnten allein durch einen Verdacht weggesperrt werden, ohne dass eine Anhörung oder Ähnliches stattgefunden hätte. Die Rechtsstaatlichkeit wurde unterhöhlt. Zehntausende Menschen wurden in den folgenden Wochen weggesperrt und da die Gefängnisse nicht mehr genügend Platz boten, richtete man provisorische Konzentrationslager ein. Die ersten Emslandlager wurden dann im Sommer 1933 fertig und wie in der Ems-Zeitung zu lesen war, kamen die ersten „Sommerfrischler“ in die Lager, die dann das Moor kultivieren sollten.
Die Emslandlager: Das Lager Walchum war eines von den 15 Konzentrations-, Straf- und Kriegsgefangenenlagern im Emsland und in der Grafschaft Bentheim. Über tausenden Menschen wurden in diesen Lagern ihre Menschenwürde genommen. Sie wurden nicht mehr als Menschen angesehen. Darunter waren zahlreiche politische Gefangene, die beim Aufbau des nationalsozialistischen Staats im Wege standen und weggebracht wurden.
Es gibt drei Phasen bei dem Aufbau, die sich zeitlich überschneiden.
1933 -1936: Einrichtung und Bewachung von mehreren Konzentrationslagern durch die SS
1934 -1945: Strafvollzugslager unter Aufsicht der Justizverwaltung (Lager Walchum)
1939- 1945: Kriegsgefangenenlager des Oberkommandos der Wehrmacht
Die Geschichte des Lagers Walchum:
Im Mai 1935 wurde das Strafgefangenenlager der Justiz für 500 Strafgefangene fertiggestellt. Es diente auch als Ausbildungslager für die Wachmänner. Die erste Planung, das Lager auf eine Kapazität von 1000 Gefangenen zu erweitern, erfolgte im Dezember 1936. Im Sommer 1939 wurde dann das Strafgefangenenlager auf eine Kapazität von 1000 Gefangenen erweitert. Nach dem Kriegsbeginn wurden die Gefangenen zunehmend in der Landwirtschaft oder in anderen kriegswirtschaftlich wichtigen Betrieben eingesetzt. Bis 1940 waren 80% der Strafgefangenen als „kriminell“ eingestuft. Die anderen 20 % waren politische Gefangene oder Gefangene, die aufgrund ihrer Homosexualität dort eingesperrt waren. Ab 1940 kamen zunehmend wehrmachtsgerichtlich verurteilte Soldaten wie August Schammel hinzu, über den wir später berichten werden. 1942 lag die Anzahl der wehrmachtsgerichtlich Verurteilten bei 50%. Immer mehr Gefangene erkrankten aufgrund der unhygienischen Zustände, durch Hunger und durch die Arbeitsbedingungen. Standesamtlich sind 71 Todesfälle verzeichnet. Die wirkliche Zahl liegt wohl höher. Auf dem Lagerfriedhof Börgermoor wurden die Toten begraben. Im Februar 1945 waren im Lager Walchum noch 167 Gefangene untergebracht. Die restlichen Gefangenen wurden im April 1945 in das Lager Aschendorfermoor verlegt. Von 12. bis zum 19.04.1945 fand hier das Massaker durch das „Sonderkommando Herold“ statt.
Die Wachmänner: 1935 bis 1939 war das Lager Walchum Ausbildungslager für die Wachmannschaften. Die meisten Männer kamen aus Ostfriesland, Oldenburg, Osnabrück, Bremen, Hamburg und Hannover. Aus dem Raum Emsland kamen nur wenige, da hier die Bevölkerung stark im katholischen Glauben war. Dieser starke Glaube wurde in Handschriften von den Funktionären der Gestapo oder von dem späteren Lagerkommandeur auch als ungünstig für die Verbreitung des NS-Gedankengutes gewertet.
In einem Geheimbericht der SA über die SA-Standarte Pionier 10, Emsland heißt es: „Die Bevölkerung des Emslandes ist im Allgemeinen arm, lebt in dürftigen Verhältnissen und ist im Übrigen zum überwiegenden Teil konfessionell so stark gebunden, dass sie nicht daran denkt, die SA. zu fördern.“ (vgl. Czeranka, W. u.a., Die Zerstörung von Recht und Menschlichkeit in den Konzentrations- und Strafgefangenenlagern des Emslandes 1933-1945, Sögel 1986).
Voraussetzung und Ausbildung der Wachmänner: Die bloße Verfügbarkeit der Anwärter war ein entscheidender Faktor für die Einstellung als Wachmann der Moor-SA. Hinzu kommt, dass man Mitglied bei der SA sein musste. Zudem sollten sie unverheiratet sein, so dass sie sich ganz der Aufgabe als Wachmann stellen konnten. Außerdem mussten sie mindestens 18 Jahre alt sein, deutsch, einen sauberen Strafregisterauszug haben und körperlich fit sein. Gute Rechtschreibkenntnisse waren wichtig und es erfolgte eine medizinische Überprüfung durch einen Amtsarzt. Sie trugen später blaue Uniformen. Deshalb nannte man sie auch die Blauen. Die Ausbildung bestand dann aus den drei Teilen Exerzieren, Schießübungen und sportliche Übungen. Die theoretische Unterweisung blieb auf den Umgang mit Schusswaffen beschränkt. Den korrekten Umgang mit Gefangenen lernten sie nicht.
So konnte eine eingeschworene Kameradschaft gebildet werden, die ihre eigenen Ideale und Ziele verfolgte. Wenn Gefangene misshandelt wurden, wurden diese Taten nicht verraten oder geahndet. Einer dieser Wachmänner war Heinrich Ebken.
In einen Auszug aus seiner Akte, steht, dass er am 04.06.1945 in Dangast festgenommen wurde. Bevor er an die Front als Artillerist versetzt worden war, leistete er seinen Dienst als Wachmann im Lager Walchum ab. An der Front erhielt Ebken einen Brief aus Walchum, in dem ein Kamerad ihm Neuigkeiten aus dem Lageralltag schilderte.
Post aus Walchum: Der Verfasser des Briefes informierte Ebken über stattgefundene Beförderungen und über Geldüberweisungen. Er bezeichnete die Wachmänner als Moorhengste und berichtete, dass die Tage gleichförmig, langweilig und auch einsam wären. Dennoch war er froh darüber, im Lager und nicht an der Front wie Ebken zu sein. Es zeigt, dass die Wachmänner sich auch aus Langeweile auf diese Art und Weise ihre Zeit vertrieben. Von dieser Freude an der Jagd konnte man in der Ems-Zeitung aber nichts lesen. Die Ems-Zeitung vom 02.05.1933 In der Ausgabe vom 02.05.1933 wurde geschrieben, dass die Kreisleitung nun den politischen Teil der Ems-Zeitung verfasste. So ist zu lesen, dass die Durchführung dieser Maßnahmen „zur Entwicklung des nationalsozialistischen Programms“ nun eine „gebieterische Pflicht“ sei. Jeder Parteigenosse wurde zur Verbreitung der Ems-Zeitung aufgerufen, damit sich der nationalsozialistische Gedanke weit verbreiten konnte. Dem Verleger und den Redakteuren blieb keine andere Wahl. Unter dem Artikel ist eine entsprechende Notiz des Verlegers zu lesen. Die Kreisleitung nutzte nun die Zeitung, um das Volk zu manipulieren und ihre Meinung als die einzig wahre darzustellen. Vorkommnisse aus den Lagern wie Walchum kamen nicht in die Ems-Zeitung. Eher Berichte wie dieser: So steht in der Ausgabe der Ems-Zeitung vom 27.11.1943 anlässlich des 10-jährigen Jubiläum der SA-Wachmannschaften, dass die Moor-SA „Schöpferin von Neuland aus Sumpf und Morast“ gewesen sei. „Es war sicherlich keine leichte Aufgabe, aber mit Zähigkeit und Ausdauer, wie sie die Sturmabteilungen des Führers besonders auszeichnet, gingen die Männer an die Arbeit und schufen mit Fleiß und Beharrlichkeit und unter Entsagungen und Entbehrungen zielbewusst das, was wir heute sehen: Fruchtbare Aecker, saubere Straßen und Wege, vorbildliche Siedlungen, Neubauernland. Wer auf solche Leistungen zurückschauen kann, der hat auch in der heutigen ernsten Zeit ein Anrecht darauf, die Geburtsstunde eines so gigantischen Werkes im Kameradenkreise feierlich zu begehen…..“ Aus einem handschriftlichen Vermerk von Herrn Sagemüllers vom Wasserwirtschaftsamt Meppen lässt sich jedoch erkennen, dass dieser Artikel eine Lüge war. Er schrieb: „Der Bericht (….) ist eine Fortsetzung der zahlreichen, die Tatsachen vollständig auf den Kopf stellenden Zeitungsberichte der SA über die Erschließung der emsländischen Moore, die SA bewacht lediglich die Gefangenen, um die Leitung der Arbeiten kümmert sie sich nicht im geringsten….“ ( vgl. Czeranka, W. u.a., Die Zerstörung von Recht und Menschlichkeit in den Konzentrations- und Strafgefangenenlagern des Emslandes 1933-1945, Sögel 1986).
Wie die Moor-SA sich in Szene setzte, zeigt folgendes Beispiel.
Die Beeinflussung der Bevölkerung:
Durch die Auftritte der Kapelle der Moor-SA aus dem Lager Neusustrum, durch Fußballspiele oder durch Besuche von Schulklassen in den Bereichen der Wachmannschaften sollte die Moor-SA als guter Bestandteil der Gesellschaft wahrgenommen werden. Es sollte nach außen hin ein verharmlosendes Bild abgegeben werden. In ihrer Freizeit veranstaltete die SA-Kameradschaftsabende, Film- und Theatervorführungen, die auch der zivilen Bevölkerung zugänglich waren. Auf diesem Wege wollten sie nicht nur die Kultur in das Emsland bringen. Sie wollten sie maßgeblich im nationalsozialistischen Sinne prägen. Und etwaige Unmutsäußerungen wurden im Keim erstickt. Es gab eine überlieferte Redensart.
„Schweigen ist Gold, Reden ist Esterwegen“
Diese Redensart „Schweigen ist Gold, Reden ist Esterwegen“ zeigte, wie viel Angst die Bevölkerung vor der Gewalt und dem Terror des NS-Regimes hatte. In der Ems-Zeitung vom 23.07.1933 unter der Überschrift „Volksverräter werden ins Konzentrationslager eingeliefert“ wurde der Bevölkerung bewusst gemacht, dass negative Äußerungen schon im Keim erstickt werden sollten. In dem Bericht wurden dann auch Personen aus Papenburg namentlich genannt, die in ein Konzentrationslager kamen. Im Herbst 1933 lief eine Zeitungskampagne gegen „Miesmacher und Verleumder“. Die anscheinend schöne Seite der Lager wurde der Bevölkerung immer wieder gezeigt. Die Grausamkeiten und die menschenunwürdigen Zustände wurden nicht genannt. Selbst Häftlinge schwiegen über die Zustände, wenn sie das Lager verlassen hatten. Auch wenn nur ein kleiner Kreis Zugang zu den Lagern wie auch zu dem Lager IV in Walchum hatte, drangen doch vereinzelt Informationen nach außen. Dennoch war es dem NS-Regime gelungen, durch die positive Darstellung der Vorteile der Moorkultivierung und durch die massive Einschüchterung der Bevölkerung einen möglichen Widerstand zu unterdrücken. Die Heftigkeit der Gewaltanwendungen erfuhren die Strafgefangenen im Gegensatz zu der Bevölkerung schon bei ihrer Ankunft auf dem Bahnhof in Dörpen, wenn sie in der Feldbahn im sogenannten Moor-Express zu ihren Lagern gebracht wurden.
Auf den Weg ins Lager: Wie die Gefangenen bei ihrer Ankunft in Dörpen behandelt wurden, zeigte sich am Beispiel des Verhaltens des ehemaligen SS-Mannes Emil F. Im Urteil des Schwurgerichts Osnabrück vom 0.11.1950 wird sein Verhalten beschrieben. Die Personen sind nicht namentlich, sondern mit Namenskürzel genannt. Am 16.08.1933 kamen Strafgefangene aus Koblenz in Dörpen an. Am Bahnhof wurden sie von den Wachmännern mit Schlägen, Stößen mit dem Gewehr und Tritten in den sogenannten „Moor-Express“ getrieben. Diese Momente wurden als Empfangsschock von den Strafgefangenen wahrgenommen. So erging es an diesem Tag Mü., der sich zunächst hinter zwei SS-Männern verstecken konnte, als er den SS- Mann Emil F. sah. Doch Emil F. erkannte den Strafgefangenen Mü., der, so Emil F., früher die SA verraten hätte. Nach seinen Worten: „Da haben wir ja den meineidigen Hund“, schlug er ihn mehrfach mit der Faust ins Gesicht. Mü. verlor sofort drei Zähne. Aufgrund der Misshandlungen fielen ihm dann später sechs weitere aus. „Den Mann nimmst Du Dir mal besonders in die Kur“, waren dann die Worte von Emil F., nachdem er Mü. misshandelt hatte. Mü. musste dann in einem Sonderkommando spät abends „noch Gräber ausheben und schwere Arbeit verrichten“. Den Strafgefangenen wurde sofort dieWillkür der Wachmannschaften und ihre eigene Ohnmacht klar. Dieses Bewusstsein war ihr täglicher Begleiter im Lageralltag. (vgl. Czeranka, W. u.a., Die Zerstörung von Recht und Menschlichkeit in den Konzentrations- und Strafgefangenenlagern des Emslandes 1933-1945, Sögel 1986)
Täglicher Ablauf im Lager:
Im Sommer wurden die Häftlinge um 04.30 Uhr und im Winter um 05.30 Uhr geweckt. Nach dem Bettenbau und dem Waschen wurde im Tagesraum gefrühstückt, um dann auf dem Lagerplatz zum Morgenappell anzutreten. Um 06.00 Uhr ging es zur Arbeit ins Moor. Manchmal bauten sie auch Wege oder halfen in der Landwirtschaft. Mittags gab es eine halbe Stunde Pause, in der die Gefangenen die mitgenommene kalte Verpflegung aßen. Um 17.00 Uhr ging es für die Gefangenen zurück ins Lager. Nach dem Abendappell gab es eine warme Mahlzeit und die kalte Verpflegung für den nächsten Tag. Bis 20.00 Uhr mussten die Gefangenen in ihren Baracken bleiben, denn dann wurden die Baracken abgeschlossen und das Licht ausgemacht. Die Versorgung mit den Lebensmitteln war sehr schlecht und viele Strafgefangene litten unter Darmkatarrh. Das Arbeitspensum schwächte sie zudem sehr. Am 25.06.1940 wies der leitende Lagerarzt in einem Bericht an den Kommandeur der Strafgefangenenlager darauf hin, dass die einsetzenden Darmkatarrhe Todesfälle in größerer Anzahl zur Folge hätten.
Täglicher Terror in der Baracke: Die Schikane der Wachmänner fand ihre Fortsetzung auch nach Einschluss um 20.00 Uhr durch die Barackenältesten, welche kriminelle Häftlinge waren und vor brutaler Gewaltanwendung nicht zurückschreckten. Sie setzen den Terror in den Baracken fort und ihre Taten wurden von den Wachmänner gedeckt. Somit wurden es nicht bestraft, wenn sie die Strafgefangenen misshandelten. Der Bettenbau in den Baracken musste schnurgerade verlaufen und wurde mit Gewaltanwendung durchgeführt. Es diente der reinen Schikane der Strafgefangenen, diese Ordnung einzuhalten. Kleinste Zuwiderhandlungen wurde mit Gewalt beantwortet. Eine Beschwerde bei den Wachmänner über diese Misshandlungen durch die Barackenältesten hat keinen Sinn gemacht. Das zeigte deutlich die Macht der Täter und die Ohnmacht der Opfer.
Die Macht der Täter und die Ohnmacht der Opfer
Unbedingter Gehorsam war die Leitlinie für die Strafgefangenen und die Leitlinie für die Wachmänner war „Toleranz bedeutet Schwäche“.
Die Misshandlungen der Strafgefangenen wurden meistens auf den Arbeitsplätzen im Moor von den Wachmänner begangen. Die Gründe dafür waren, wenn ein Gefangener zum Beispiel nicht das Arbeitspensum schaffte. Oder wenn ein Gefangener seine Notdurft ohne Erlaubnis machte, rauchte oder Kartoffeln mitnahm. Die Wachmänner misshandelten die Strafgefangenen aus Lust am Quälen oder aus Langeweile, so wie es der Verfasser des Briefes an Ebken schilderte. Besondere Maßnahmen des Quälens waren der Bärentanz oder die Moordenkmäler. Beim Bärentanz drehte sich der Strafgefangene mit erhobenen Händen so lange um sich selbst, bis er vor Erschöpfung oder vor Schwindelgefühl hinfiel. Die Gefangenen mussten sich bei den Moordenkmälern schwere und nasse Torfsodenstücke auf den Kopf legen und sich mit dem Gesicht in den Wind stellen oder das Gesicht in die Sonne halten. Dabei mussten sie eine stramme Haltung annehmen. Der willkürliche Terror machte den Gefangengen ihre ausweglose Situation klar und versetzte sie zudem in eine unerträgliche Anspannung. Nie waren sie vor irgendetwas sicher.
Die Folgen des täglichen Terrors:
Die Folgen des täglichen Terrors sind unter anderem in einem Arztbericht an die Justizverwaltung vom 19. November 1941 festgehalten worden. Der Arzt fand am 15.11.1941 bei einer Revision im Revier Lager IV 5 Gefangene vor, die übereinander auf der Türschwelle lagen. Obwohl sie bei der Arbeit ohnmächtig geworden seien, wären sie trotz ihres Zustandes durchgeprügelt worden. Drei von den Gefangen seien dann in den darauffolgenden Tagen an akuter Herzschwäche verstorben (vgl. Czeranka, W. u.a., Die Zerstörung von Recht und Menschlichkeit in den Konzentrations- und Strafgefangenenlagern des Emslandes 1933-1945, Sögel 1986).
August Schammel: Einer dieser Strafgefangenen, die das Lager Walchum ebenfalls nicht überlebt haben, war August Schammel. Er verstarb mit 21 Jahren am 23.07.1944 in Walchum. Er arbeitete bei der Bahn als Gleisarbeiter, als seine Heimat in Luxemburg 1940 von der Wehrmacht besetzt worden ist. Im März 1941 wurde er dann zum Reichsarbeitsdienst eingezogen. Am 18.10.1942 musste er sich der Wehrmacht anschließen und somit für den deutschen Besatzer seiner Heimat in den Krieg ziehen. In Schwerin wurde er ausgebildet und vom Grenadierregiment in den Niederlanden aus wurde er dann später an die Ostfront verlegt. In Smolensk wurde er am 21.09.1943 einer Radfahr-Kompanie zugeteilt. Drei Tage später erhielt seine Kompanie Schnaps und August Schammel betrank sich. Am Abend rückte die Kompanie nach Romanenka ein und nach seinen Angaben legte sich August Schammel abseits schlafen. Als er morgens allein aufwachte, hatte er den Anschluss an seine Kompanie verloren. In den nächsten Tagen hielt er sich im Hinterland auf und kaufte sich am 05.10.1943 in Posen eine Fahrkarte nach Köln, um von dort in seine Heimat nach Luxemburg zu kommen. Zwei Tage später nahm ihn eine Streife in Bielefeld fest. Schammel gab in einem Protokoll an, dass er einfach nur „nach Hause“ gewollt hatte. Am 04.11.1943 verurteilte ihn das Kriegsgericht der Division Nr.172 wegen Fahnenflucht zu zwölf Jahren Zuchthaus. Man bezeichnete ihn als „schlappen Soldaten“. Da er als „wehrunwürdig“ bezeichnet wurde, kam er in den zivilen Strafvollzug und somit in das Lager Walchum.
Andere Strafgefangene überlebten das Lager Walchum. Wilhelm Schroers war einer von ihnen.
Wilhelm Schroers wurde am 16.01.1900 in Bremen geboren. Nach Beendigung seiner Schulzeit 1914 arbeitete er in der Industrie, in der Landwirtschaft und auf dem Bau. Er schloss sich schon als Jugendlicher der politischen und gewerkschaftlichen Arbeiterbewegung an. Aus diesem Grund gerieten er und seine Frau Martha 1933 ins Blickfeld der Gestapo. Nach seiner Verhaftung verbrachte er einen Teil seiner 26-monatigen Haft im Lager Walchum, in das er am 08.10.1938 eingeliefert wurde. 1945 wurde er von den Alliierten als Ratsherr ernannt und am 01.02.1946 als Leiter des Kulturamtes eingesetzt. 1946 gründete er das Volksbildungswerk Delmenhorst, welches ein Vorläufer der Volkshochschule Delmenhorst war. Bis zu seinem Tod am 04.07.1981 setzte er sich für den Erhalt der demokratische Werte ein.
Das Lager Aschendorfermoor – April 1945: Im April 1945 wurden die verbliebenen 167 Strafgefangenen in das Lager Aschendorfermoor verlegt. In diesem Monat traf auch Willi Herold mit seinen Kameraden als Sonderkommando Herold in das Lager ein. Herold ließ über hundert Menschen in dem Lager hinrichten. Willi Herold wurde am 11.09.1925 in Lunzenau bei Chemnitz geboren. Er war 18 Jahre alt, als er als gelernter Schornsteinfeger in die Wehrmacht einberufen wurde. Von 1943 bis 1945 ar er in Italien bei Einsätzen. Nach seiner Rückverlegung verlor er den Anschluss an seine Einheit bei Gronau. Die Hauptmannsuniform, die er dann im Felde fand, eignete er sich an. Andere Soldaten schlossen sich ihm an. Sie trafen im Lager Aschendorfermoor als Sonderkommando Herold an und verübten das Massaker. Am 23.05.1945 wurde er durch die Royal Navy in Wilhelmshaven verhaftet und am 14.11.1946 im Gefängnis Wolfenbüttel hingerichtet. Bei der Exhumierung der Ermordeten im Lager Aschendorfermoor hatten sich alleehemaligen Parteimitglieder einzufinden. Ob unter den Ermordeten Gefangene aus dem Lager Walchum waren, gibt die derzeitige Kenntnis der Quellenlage nicht klar her.
Literatur: Aktionskomitee Emslandlager, Emslandlager – damals und heute, Schenkung Elfriede Haug, Mai 1994. Czeranka, W. u.a., Die Zerstörung vonRecht und Menschlichkeit in den Konzentrations- und Strafgefangenenlagern des Emslandes 1933-1945, Sögel 1986, Faulenbach, B. und Kaltofen, A., Hölle im Moor, Göttingen 2017, Heeren, H., Der Postverkehr mit den emsländischen Konzentrations-, Strafgefangenen- und Kriegsgefangenenlagern 1933-1945, Papenburg 1997, Reinicke, D., Die Moor-SA, Göttingen 2022, Quellen: Gedenkstätte Esterwegen.