Beeindruckende archäologische Funde in Walchum
(WS – 5.4.2014 Archäologische Funde im Walchumer Nordesch belegen eindeutig, dass in Walchum bereits vor 2500 Jahren Menschen gelebt haben. Im Walchumer Heimathaus informierten jetzt die Archäologin und Grabungsleiterin der Firma Denkmal 3D aus Vechta, Claudia Maria Melisch und Kreisarchäologin Dr. Andrea Kaltofen über 100 Bürgerinnen, Bürger und Kinder über die Ergebnisse der Grabungen in Walchum.
Aber kurz zurück zur Vorgeschichte: Die Gemeinde Walchum hat ein etwa fünf Hektar großes Areal im Walchumer Nordesch zwischen dem Heimathaus und der Dersumer Straße als Baugebiet ausgewiesen (wir berichteten). Gemäß den gesetzlichen Vorgaben für den Schutz alter Kulturgüter müssen diese Flächen vor Baubeginn auf eventuelle archäologische Funde untersucht werden. Bei einer ersten Untersuchung im September 2013 wurden Anzeichen von Besiedlungen und Brandbestattungen gefunden.
Daraufhin wurden ab dem 4. November 2013 bis zum 24. Januar 2014 weiterführende archäologischen Ausgrabungen durchgeführt. Die in Parzellen abgesteckten Flächen wurden nach und nach bis zu einer Tiefe von 1,50 m freigelegt. In der Süd-/Westecke am Bischofsweg entdeckte man ein Gräberfeld; runde Verfärbungen im Boden deuten auf Pfosten und damit auf eine Einfriedigung eines geplanten Friedhofes hin. Bei den Gräbern handelt es sich um Brandbestattungen in Urnen aus Ton oder auch in organischen Behältnissen wie Leder, Stoff oder Holz, datiert auf ca. 500 bis 300 vor Chr. – es wurden sechs Urnen sichergestellt. In einer Urne befand sich ein Tonbecher mit einer Totenbeigabe, vielleicht ein religiöser Brauch für die Reise ins Jenseits. Die Urnen befanden sich immer zwischen den zahlreichen Eschgräben und blieben somit erhalten. Diese Eschgräben sind durch die Düngung des Eschbodens entstanden. Im Mittelalter haben die Bauern abgestochene Gras- oder Moorplaggen in die Viehställe eingebracht und der dadurch entstandene Dung wurde in bis zu 40 cm tiefe Gräben im Eschboden mit dem Eschsand vermischt und als Dünger verstreut.
Ferner fand man dort sieben Hügelgräber in Kreis- oder schiefen Rechteckstrukturen mit neun Leichenbrandkonzentrationen und menschlichen Knochenresten, datiert auf das 1. Jahrhundert nach Chr. Diese Gräber wurden jedoch ebenfalls im Mittelalter durch die landwirtschaftliche Bearbeitung zerstört.
Im nördlichen Teil des Areals fand man schwarz/braun verfärbte runde und längliche Flecken. Durch weitere Untersuchungen konnte man eine Ansiedlung aus der römischen Kaiserzeit mit Wirtschaftsgebäuden, Hausstellen, Einfriedungen, Feuerstellen und Gruben nachweisen. Bei den Wirtschaftsgebäuden lassen die Struktur und die Tiefe der Pfosten auf eine zweigeschossige Bauweise schließen.
In den Hausstellen wurde folgendes gefunden: Sieben Münzen aus der römischen Kaiserzeit – davon ein ASS, die älteste datiert aus 26 n. Chr., dann zwölf Münzen die zwischen 263 und 265 in Trier geprägt wurden. Ferner fand man einen Schmuck-Fingerring, einen Eisennagel, zwei Musketenkugeln sowie eine rötliche Glasperle mit gelbem Perlauge.
Ein weiterer interessanter Fund ist eine bronzene Schale die möglicherweise einmal als Schildbuckel den Schild eines römischen Soldaten zierte.
An Haushaltsgeräten entdeckte man einen Abstandshalter (für Töpfe), ein Spinnwirtel aus Ton der als Schwunggewicht bei der Verspinnung von Wolle benutzt wurde. Außerdem fand man Reste von Lavagestein die einmal als Getreidemühle dienten, der nächstgelegene Fundort für Lavagestein ist in der Eifel. Zudem konnte man aus über 1000 geborgenen Tonscherben – drei Scherben waren verziert – zwei Gefäße teilweise rekonstruieren.
Zahlreiche Zähne von Schweinen und Rindern runden die Liste der Fundsachen ab.
Die Fundsachen werden in Vechta restauriert und konserviert und dann im Kreismuseum in Meppen archiviert.
Dr. Kaltofen berichtete, dass die Fundstelle in Walchum das dritte bekannte Gräberfeld im Emsland sei und dadurch die Wissenslücke über die Siedlungen aus der römischen Kaiserzeit ein bisschen aufgehellt werde.
Sowohl Claudia Maria Melisch als auch Dr. Kaltofen bewerteten die Funde während der zweimonatigen Bodenuntersuchung im Walchumer Nordesch als „beeindruckend“ und als besonders wichtige Fundstelle. Die Strukturen der Grabanlage wurden als einzigartig und einmalig im norddeutschen Raum bezeichnet. Man vermute, dass es sich hier um den südwestlichen Ausläufer einer größeren Siedlung handele. Das Ende der ersten Siedlung datierten die Archäologen auf bei zirka 400 n. Chr. und der Beginn der Eschbewirtschaftung bei etwa 1000 n. Chr., dazwischen klaffe eine Lücke über die man keine genauen Kenntnisse habe.
Einen Zusammenhang zwischen den Menschen im Gräberfeld und aus der Siedlung der römischen Kaiserzeit als auch dem heutigen Ort Walchum lasse sich ohne weitere wissenschaftlichen Untersuchungen zur Zeit nicht herstellen, so die Archäologin Melisch.
Zum Schluss der Veranstaltung besichtigten die Zuhörer die Fundstücke und die Archäologen beantworteten geduldig und mit fundiertem Fachwissen die auf sie einstürmenden Fragen.
Der Grabungstechniker Ingo Jüdes (hinten von links) und die Archäologen Andreas Hummel, Dr. Andrea Kaltofen und Claudia Maria Melisch erklären den Kindern und dem Walchumer Bürgermeister Hermann Schweers (rechts) die Fundstücke. Foto: W. Schweers
Der Walchumer Bürgermeister Hermann Schweers (von links) bedankte sich für die geleistete Arbeit bei den Archäologen Dr. Andrea Kaltofen, Claudia Maria Melisch und Andreas Hummel sowie bei den Grabungstechnikern Ingo Jüdes und Stephan Kathe. Foto: W. Schweers